Poetry is not a luxury. Poetry is the way we help give name to the nameless so it can be thought.
Audre Lorde war überzeugt von der Macht des Wortes. Wenn wir schweigen, dann sterben wir, sagte Lorde in einem Interview. Lorde wurde am 18. Februar 1934 in New York geboren, fast blind und als Poetin. Wenn sie in ihrer Jugend gefragt wurde, wie es ihr ging, antwortete sie oft mit einem Gedicht. Mit zwanzig Jahren verbrachte Lorde ein Jahr in Mexiko, in welchem sich ihre Identität als queere Dichterin festigte. Trotzdem heiratete sie zunächst einen Mann, studierte an verschiedenen Universitäten in New York Bibliothekswissenschaften, war Ghostwriterin und Sozialarbeiterin, dachte, es wäre eine Phase. Das Dichten blieb, Lorde veröffentlichte regelmäßig Gedichte und wurde 1968 poet in residence am Tougaloo College, gewann Preise, sprach auf Konferenzen und war Gastprofessorin in Berlin.
Sich vorzustellen hat bei Lorde eine besondere Bedeutung, denn damit gibt sie sich und den eigenen Überzeugungen einen Namen und sich selbst ein Versprechen. Deswegen in ihren Worten: Lorde war eine black lesbian feminist mother poet warrior, sie war Lehrerin, Aktivistin und Bibliothekarin. „There is no such thing as a single-issue struggle because we do not lead single-issue lives“, schrieb Lorde und verweist damit auf ihre mehrschichtige Identität, ihre verschiedenen Rollen, als Schwarze, Lesbe, Feministin, Mutter, Dichterin, Kämpferin, die sie stets gleichzeitig war und die Intersektionalität, die diese Zuschreibungen mit sich bringen.
“I find I am constantly being encouraged to pluck out some one aspect of myself and present this as the meaningful whole, eclipsing or denying the other parts of self. But this is a destructive and fragmenting way to live. My fullest concentration of energy is available to me only when I integrate all parts of who I am, openly, allowing power from particular sources of my living to flow back and forth freely through all my different selves, without the restrictions of externally imposed definition.”
S.102, Your silence will not protect you
“Like micro-poetry, her sentences can be found on thousands of feeds and timelines”, schreibt Reni Eddo-Lodge über Lorde und es ist, als meinte sie damit auch die schwarzen Bilder des #BlackoutTuesday. Lordes Worte wiegen diese Woche schwer. Sie hängen über den Bildern der Polizeigewalt und Gegenproteste in den U.S.A., wie dicke Regenwolken.
Power
The difference between poetry and rhetoric
is being ready to kill
yourself
instead of your children.
I am trapped on a desert of raw gunshot wounds
and a dead child dragging his shattered black
face off the edge of my sleep
blood from his punctured cheeks and shoulders
is the only liquid for miles
and my stomach
churns at the imagined taste while
my mouth splits into dry lips
without loyalty or reason
thirsting for the wetness of his blood
as it sinks into the whiteness
of the desert where I am lost
without imagery or magic
trying to make power out of hatred and destruction
trying to heal my dying son with kisses
only the sun will bleach his bones quicker.
A policeman who shot down a ten year old in Queens
stood over the boy with his cop shoes in childish blood
and a voice said “Die you little motherfucker” and
there are tapes to prove it. At his trial
this policeman said in his own defense
“I didn’t notice the size nor nothing else
only the color”. And
there are tapes to prove that, too.
Today that 37 year old white man
with 13 years of police forcing
was set free
by eleven white men who said they were satisfied
justice had been done
and one Black Woman who said
“They convinced me” meaning
they had dragged her 4’10“ black Woman’s frame
over the hot coals
of four centuries of white male approval
until she let go
the first real power she ever had
and lined her own womb with cement
to make a graveyard for our children.
I have not been able to touch the destruction
within me.
But unless I learn to use
the difference between poetry and rhetoric
my power too will run corrupt as poisonous mold
or lie limp and useless as an unconnected wire
and one day I will take my teenaged plug
and connect it to the nearest socket
raping an 85 year old white woman
who is somebody’s mother
and as I beat her senseless and set a torch to her bed
a greek chorus will be singing in 3/4 time
“Poor thing. She never hurt a soul. What beasts they are.”
Es erstaunt mich, wie viele Menschen in Deutschland schreiben, dass sie geschockt seien, von “dem Rassismus in den U.S.A.”. Sind es dieselben Leute, die den Erzählungen von Alltagsrassismus nicht glauben und nun ein schwarzes Bild in ihrer Timeline posten? Ein schwarzes Bild zu posten ist leicht und es beruhigt das Gewissen. Aber was soll das für ein Zeichen von Solidarität sein, zu dem niemand aus der #Blacklivesmatter-Bewegung aufgefordert hat? Die schwarze Timeline hatte den Effekt, dass wichtige Informationen nicht mehr über den #Blacklivesmatter geteilt werden konnten, es der Bewegung mehr geschadet als geholfen hat.
Einige fragen, wenn wir keine schwarzen Bilder posten sollen, was können wir dann gegen Rassismus tun? Eddo-Lodge schreibt, dass in Lordes “The Master’s Tools Will Never Dismantle the Master’s House” steht, dass weiße Frauen von schwarzen Frauen erwarten, dass diese ihnen Rassismus erklären, in ähnlicher Weise, wie Männer von Frauen erwarten, dass sie ihnen Sexismus oder Feminismus erklären. Männer müssen ihren eigenen Weg finden, den Sexismus in sich zu bekämpfen, Weiße, den Rassismus in sich zu bekämpfen. Damit keine Vergewaltigungen stattfinden, muss man zunächst aufhören Vergewaltiger zu sein, damit keine rassistische Gewalt mehr ausgeübt wird, muss man aufhören rassistisch zu sein. “Good mirrors are not cheap” schreibt Lorde. Sich selbst zu hinterfragen ist unbequem, manchmal schmerzhaft, aber es bringt einen nicht um. Personen, die von Rassismus betroffen sind, schulden Weißen keine Erklärungen oder How-To-Anleitungen. Strukturelle Diskriminierung zu bekämpfen ist auch ohne diese Erklärungen viel ermüdender und gefährlicher, als die meisten es sich vorstellen können – aber auch dort sind wir uns das Sprechen schuldig.
My silence had not protected me. Your silence will not protect you.
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